Löst Vitamin K2 wirklich Brustkrebs aus ? Kritische Auseinandersetzung mit der WANG-Studie:

Dr. med. Raimund von Helden, Verbraucherberatung VitaminDelta, 57368 Lennestadt referiert die Studie von K. WANG

2020-12-20

1) Fragestellung

  • Steigert die Einnahme von Vitamin K2 tatsächlich das Brustkrebs-Risiko? 
  • Sollten Vitamin-K2-Präparate jetzt vermieden werden?
  • Gehören Präparate mit Vitamin K2 in den Müll?
  • Was ist von der WANG-Studie wirklich zu halten?

Hinweise:

  • Zur verbesserten Lesbarkeit ist "Vitamin K2" auch zu "K2" abgekürzt.
  • Das Institut VitaminDelta ist frei von Interessenkollisionen: kein Verkauf von K2, kein Verkauf von Vitamin D
  • Dieser Beitrag schärft die Wahrnehmung für die Probleme von BIG-DATA-STUDIEN: große Zahlen, wenig Substanz.
  • Es wird demonstriert, was "assoziierten Risiken" sind und wie man sich vor Fehlschlüssen schützt.

2) Methode

  • Es ist eine BIG-DATA-Studie: die Statistik-Daten stammen aus der alten PLCO-Studie.
  • Bei ca. 150 000 Einwohnern der USA wurden von 1993 bis 2001 Daten erhoben
  • Jetzt wurde eine Teilmenge von ca. 50 000 Frauen im Bezug auf Vitamin K1 + K2 ausgewertet.
  • Die Zufuhr von K1 und K2 über die Nahrung wurde anhand von Fragebögen rekonstruiert.
  • Es wurden keinerlei (!) Laborwerte erhoben (weder Vitamin K1, K2, noch Vitamin D). 
  • Die "Baseline Characteristics" sind zeigen 17 signifikante Störungen durch andere Parameter.

3) Ergebnisse

  • Beim Vitamin K1 zeigte sich keine Änderung des Brustkrebs-Risikos mit steigender Dosis.
  • In der gemeinsamen Betrachtung von Vitamin K1 UND K2 (gesamt) zeigte sich keine Änderung des Risikos Brustkrebs mit steigernder Dosis.
  • Nur beim Vitamin K2 zeigte sich eine Steigerung des Risikos Brustkrebs mit steigernder Dosis: 2,0-faches Risiko
  • Das Risiko war bei einer Aufnahme von ca. 12 ug (ZWÖLF Mikrogramm K2) pro Tag "am höchsten": 2,0-faches Risiko
  • Bei einer höheren Einnahme von 20µg pro Tag ging die Sterblichkeit von 2,0 auf 1,6 zurück.

4) Folgerungen

Die Entschärfung der Studie - durch 11 Einwände

11 Kritikpunkte sprechen gegen die Arbeitshypothese der WANG-Studie: ("Vitamin K2 = Brustkrebs-Risiko")

1. Kritik: Studie: Nahrungs-K2 ist nicht identisch mit Tabletten

  • Es geht in dieser Studie nur um die in Fragebögen angegebene Ernährung. Dabei kommt es zu einer Zufuhr von maximal 20 µg pro Tag.
  • Eine Aussage über K2 in der Menge von100 oder 200 µg ist nicht in der Studie enthalten.

2. Kritik: Die Vitamin-K-Menge ist mit 17 (!) Störgrößen* verkettet

  • Die Tabelle 1 auf Seite 5 der Studie zeigt die "Baseline-Characteristics"
  • Analysiert wird in der Tabelle, ob die übrigen statistischen Kennzeichen "fair" verteilt sind.
  • Die Spalte rechts zeigt, dass die höhere K-Einnahme mit 17 Störgrößen signifikant verknüpft ist.
  • Die höhere Einnahme von Vitamin K ist somit ein Indikator für diese Störgrößen:

Die viel zu lange Liste der verzerrten Statistik:

Hohe Zufuhr von Vitamin K bedeutete gleichzeitig...

  • geringeres Alter
  • höherer BMI
  • mehr Zigaretten
  • mehr Alkohol
  • mehr Fett in der Nahrung (fast doppelt so viel)
  • mehr Calcium
  • mehr Karotin
  • mehr "Black, Hispanic, Asian"
  • früherer Beginn der Regelblutung
  • öfter Kinderlosigkeit
  • öfter College-Abschluss
  • öfter "nie Sport"
  • öfter Hormon Therapie
  • öfter "die Pille"

Jeder Punkt ist ein Sargnagel für die Qualität der Studie:

  • Die Punkte der Liste sind als Risikofaktoren für Brustkrebs bekannt.
  • Damit wiederholt die Studie nur bekannte Fehler im Lebensstil - leider wurden sie hier dem K2 angelastet.
  • Die Verkettung von K2 mit diesen Faktoren wäre ein guter Grund gewesen, diese Studie nicht zu veröffentlichen.
  • Eine Studie wäre erst dann "sauber", wenn diese 17 Störgrößen keinen signifikanten Einfluss gezeigt hätten.

3. Kritik:  Nahrungs-K2 = Indikator für Krebsstoff in der Nahrung

Die Betrachtung des Vitamin K2 ist ein Indikator für eine problematische Ernährung. Seite 2 der WANG-Studie nennt die Quellen des K2:

  • "Da Vitamin K2 von Bakterien synthetisiert wird, sind ihre hauptsächlichen Nahrungsquellen fermentierte Lebensmittel (z. B. Wein, Bier, Apfelwein, TEMPEH, MISO), Fleisch und Milchprodukte."
  • "K2 enthaltende Lebensmittel wie "MISO" und "TEMPEH" entstehen duch Vergärung. Ein Prozess bei dem Pilze neben dem Vitamin K2 auch Carcinogene erzeugen können."

Info-BOX:

  • MISO: Zur Gärung werden die Kōji-Schimmelpilze Aspergillus flavus, var. oryzae sowie Aspergillus sojae verwendet. (Nachlesen: Wikipedia)
  • TEMPEH: Durch die Beimpfung von gekochten Sojabohnen mit verschiedenen Rhizopus-Arten, also mit Hilfe von niederen Schimmelpilzen. Verwendung finden dabei Rhizopus stolonifer (Brotschimmelpilz), Rh. oryzae, Rh. oligosporus oder Rh. arrhizus. Üblich ist vor allem die Verwendung von Rh. oligosporus. (Wikipedia)

4. Kritik: Nahrungs-K2 = Indikator für Milch & Fleisch

Wie im Buch www.vitaminDNatur.de belegt, führt eine hohe Zufuhr von Milch (Calcium) und Fleisch (Phosphat) zu einer Blockade der Vitamin-D-Aktivierung. Das ist gleichbedeutend mit der Abschwächung der Krebsabwehr, denn aktives Vitamin D hat hier eine Schlüsselfunktion.

5. Kritik: Nahrungs-K2 = Indikator für Alkohol

Größere Mengen von Alkohol sind bekanntlich mit einem gesteigerten Krebsrisiko verknüpft. Das, was als "Vitamin K2 in der Nahrung" ausgewertet wurde, ist ebenso eine Bewertung des Risikos Alkohol. Wein und Bier enthalten K2, weil sie in einem Prozess der Fermentierung (mikrobiologische Vergärung) gewonnen werden.

6. Kritik: Vitamin K1 ist kein Risiko

Für K1 ergeben sich keine Risiken. Möglicherweise, weil hier die Verknüpfung mit den Störgrößen fehlt. Es ist eine Schwäche der Studie, dass sie in den "Baseline characteristics" (Merkmale der Probanden) nicht verschiedene Tabellen für K1 und K2 zeigt.

7. Kritik: Vitamin K1+ K2 ist kein Risiko

Weil bereits eine gemeinsame Betrachtung von K1 und K2 keinen signifikanten Effekt zeigt, ist nur ein geringer Effekt des K2 anzunehmen.

8. Kritik: Oberhalb von 12 µg/Tag sinkt das Risiko wieder ab

Es ist keine zwingende Dosis-Wirkungs-Beziehung vorhanden. Im Gegenteil: wenn mehr K2-haltige Nahrung (Alkohol, Miso, Tempeh und Co) genutzt wird, dann sinkt das Risiko wieder.

9.Kritik: kein einziger Blutspiegel beim Vitamin K2 ermittelt

Es wurde in der ganzen Studie mit "50 000" Teilnehmern kein einziger Vitamin-K-Spiegel bestimmt. Die berechnete Einnahme von K2 wurde daher in keinem einzigen Fall durch einen Blutspiegel verifiziert. Das ist eine typische Schwäche von "BIG-DATA-Erkenntnissen": Gespenster-Phänomene ohne Beleg. 

10. Kritik: keine Bestimmung des Vitamin-D-Spiegels 

Einen großen Einfluss auf das Krebsrisiko ergibt sich durch den Vitamin-D-Spiegel, auch beim Brustkrebs. Hier verhält sich die Studie völlig ahnungslos. Es könnte sein, dass alle, die mit einem hohen Konsum von "Bier, Wein, Miso und Tempeh" in der K2-Gruppe landen, Menschen sind, die ungern nach draußen gehen. Auch kulturelle Faktoren, wie Vermeidung von Sonne "zum Erhalt der hellen Hautfarbe", könnten sich in dieser K2-Gruppe finden. 

11. Kritik:  K2-Tabletten und Tropfen enthalten 100 - 200 µg

Als übliche Menge von K2 gegen Osteoporose werden täglich 100 - 200 µg empfohlen. Das sind 0,1 - 0,2 mg pro Tag. In der Studie geht es um Dosierungen, die nur ein Zehntel dieser Dosis betragen. Da ist es sehr bedeutsam, dass sich bei steigender Dosis von 10 auf 20 µg keine Steigerung des Risikos zeigt (Seite 6, Fig.1). Denkbar ist, dass die bekannten krebshemmenden Effekte des K2 erst in den höheren Dosierungen von 50 oder 100 ihre ganze Kraft entfalten.
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FAZIT:

Die vier EINGANGS-FRAGEN werden hier beantwortet

  • Steigert die Einnahme von Vitamin K2-Tabletten tatsächlich das Brustkrebs-Risiko? - Nein, das wurde nicht belegt.
  • Sollten Vitamin-K2-Präparate jetzt vermieden werden? - Nein, es gibt sogar Vorteile der Einnahme, gerade gegen Brustkrebs.
  • Gehören Präparate mit Vitamin K2 in den Müll? - Nein, sie werden gegen Osteoporose und gegen Brustkrebs benötigt.
  • Was ist von der WANG-Studie wirklich zu halten? Lesen Sie weiter...

... über die zentralen Problem der WANG-Studie:

  • K2 aus Nahrungsmitteln ist unlösbar mit der gleichzeitigen Entstehung von Carcinogenen bei deren Produktion verbunden.
  • Es ist ein rein assoziatives Pseudo-Risiko, bekannte Wirkmechanismen des K2 bezeugen hingegen einen Schutz vor Krebs!
  • der Nahrungs-Indikator "K2" war mit dem "Krebs-Risikofaktor Übergewicht" verknüpft, was mit Vitamin-D-Mangel einhergeht.
  • Hersteller sollten auf die Carcinogen-Freiheit Ihrer K2-Präparate achten. "Naturbelassene Produkte" sind kritisch zu bewerten.

Take-Home:

  • Bekanntlich erhöhen Pilz-fermentierte Speisen das Krebs-Risiko. Das ist bekannt und setzt das K2 zu Unrecht auf die Anklagebank.
  • Für einen biochemischen Zusammenhang von "Vitamin K2 & Brustkrebs" gibt es keinen einzigen Hinweis, ganz im Gegenteil: es schützt!
  • Das Vitamin K2 ist nur ein Marker für solch problematische Speisen. Eine eigenständige Schädlichkeit des K2 ist nicht nachgewiesen.
  • Unwiderlegt ist der bekannte Ansatz: Reines Vitamin K2  ist gesund und schützt auch weiterhin gegen Brustkrebs

 

Quellenangaben

Wang K, Wu Q, Li Z, Reger MK, Xiong Y, Zhong G, Li Q, Zhang X, Li H, Foukakis T, Xiang T, Zhang J, Ren G. Vitamin K intake and breast cancer incidence and death: results from a prospective cohort study. Clin Nutr. 2020 Nov 16:S0261-5614(20)30613-0. doi: 10.1016/j.clnu.2020.11.009. Epub ahead of print. PMID: 33277073.

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33277073/
(Leider wird kein kostenloser Zugang zur Studie angeboten. Die PDF muss derzeit käuflich erworben werden.)

K2 hilft gegen Brustkrebs:
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/?term=vitamin+K2+breast+cancer
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Das sagen WANG und Kollegen über die Grenzen der Studie:
(Layout redaktionell bearbeitet)

ZITAT ANFANG:
 

  • Einige Einschränkungen der vorliegenden Studie müssen berücksichtigt werden.
  • Erstens wurden fast 33% (25.966 von 78.209) ausgeschlossen, weil sie vor Abschluss des DHQ einen ungültigen DHQ oder eine Krebsdiagnose hatten,
  • ...wobei die von der vorliegenden Analyse ausgeschlossenen Teilnehmer eine signifikant geringere Aufnahme von Gesamtvitamin K, Vitamin K1 und Vitamin K2 hatten, als diese in die Analyse einbezogen war.(Ergänzungstabelle 7).
  • Bei diesem Ausschlussprozess kann eine gewisse Selektionsverzerrung bestehen, da Krebsdiagnosen und -behandlungen häufig die Ernährung der Patienten veränderten, was zu einer veränderten Aufnahme von Vitamin K führen konnte [65].
  • Zweitens war die Anzahl der Todesfälle durch Brustkrebs relativ gering, so dass geschichtete Analysen aufgrund unzureichender Leistung keine signifikanten Assoziationen beobachten konnten.
  • Drittens unterliegt die Aufnahme von Vitamin über die Nahrung, die mithilfe von FFQs bewertet wird, Messfehlern, die sich aus potenziellen Rückrufverzerrungen und suboptimalen Datenbanken für die Vitamin K-Zusammensetzung ergeben können. Vitamin K-Biomarker (z. B. untercarboxyliertes Serum-Osteocalcin) spiegeln die Nahrungsaufnahme und die Darm-Mikrobiota-Synthese des Vitamins wider.
  • Darüber hinaus berücksichtigen diese Vitamin-K-Biomarker auch individuelle Unterschiede in der Absorption und im Metabolismus des Vitamins [66].
  • Daher sollten Vitamin-K-Biomarker in zukünftigen epidemiologischen Studien in Bezug auf das Brustkrebsrisiko bewertet werden.
  • Schließlich könnte der Ausschluss von Teilnehmern, die keine gültigen Fragebogen-Antworten hatten, möglicherweise zu Verzerrungen führen.
  • Bei der Analyse von Probanden, die aufgrund eines ungültigen oder fehlenden Fragebogen von der aktuellen Analyse ausgeschlossen wurden, stellten wir fest, dass es sich wahrscheinlich um nicht spanische schwarze, fettleibige und aktuelle Raucher handelt als diejenigen, die in die Risikoschätzungen einbezogen wurden, was auf die Ergebnisse hinweist.
  • Unsere Studie sollte mit Vorsicht auf die allgemeine US-Bevölkerung hochgerechnet werden.

ZITAT ENDE




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