BUCH: Lehrbuch der Constitutionskrankheiten (1893)

Autor: 
Dr. Friedrich Albin Hoffmann

  • Prof, Direktor der Universitäts-Poliklinik zu Leipzig

Aus dem Inhalt:

Die Krankheit beginnt schleichend mit unbestimmten Störungen im Befinden der Kinder, namentlich sind es die Störungen der Verdauung, Bronchokatarrhe, hier und da leichte Fieberbewegungen, Neigungen zu Schweissen, besonders am Kopf. Die Kinder, bis dahin munter und ruhig, werden blass, verdrieslich, schreien viel und scheinen allerlei Schmerzempfindungen zu haben. Sichere Zeichen aber für den Verdacht, welchen der Arzt schon längere Zeit gehegt haben mag, zeigen sich erst, wenn gewisse Missstaltungen an den Knochen bemerkbar werden.
Oft ist das Anschwellen der Gelenkenden an den langen Knochen, am meisten am Hand-, Ellbogen-, Fuß- und Kniegelenk, welches die Aufmerksamkeit erregt, in anderen Fällen ist es das verspätete unregelmäßige Durchbrechen der Zähne, welche im Wachstum zurückbleiben, leicht missfärbig werden und wieder ausfallen, oder auch am Schädel bleibt die große Fontanelle auffallend weit und lange offen, und die Knochen, besonders die Hinterhauptschuppe, erscheinen pergamentartig eindrückbar. Die Rippen zeigen an den Verknöcherungsstellen starke Hervortreibungen, auch die Wirbelsäule zeigt Neigung von Kyphose und Scoliose und das Becken sogar kann verändert werden. 
(...) Der Rumpf bleibt im Wachstum mehr oder weniger zurück und da der Kopf in gewöhnlicher Weise sich vergrößert, so entsteht ein Missverhältnis, die Kinder bekommen die Zwerggestalt.
Schädel: Die große Fontanelle schließt sich auffallend spät im dritten oder vierten Jahr, während sie in der Norm zwischen dem 15. und 20. Monat sich schließen muss. Die Nähte sind sehr lange fühlbar, die Knochenränder gewulstet und unregelmäßig. Auch eine eigentümliche Vorwölbung der Stirn oder ein übertriebenes Hervortreten der Tubera frontalia ist zu notieren. Der Schädel erscheint groß, aber er scheint es mehr, als er ist, weil das Schädelwachstum normal vorwärts schreitet, während das Körperwachstum zurück bleibt. 
Kiefer: (...) So entsteht der rachitische Kieferschluss, es erscheinen bei geschlossenen Kiefern die Zahnreihen, nicht übereinander, sondern die Schneidezähne des Oberkiefers vor und außerhalb der des Unterkiefers, ohne das sie sich mit ihren äußeren und inneren Flächen berühren, die Backenzähne des ersteren stehen mit ihren inneren Kronenrändern auf der Kaufläche der entsprechenden Zähne des Unterkiefers, ja auf den äußeren Kronenränern derselben, (...) die Schneiden (...) sind auffalend viereckig und der Schmelz überzieht sie nicht gleichmäßig, sondern so dass er viel dicker am Alveolarrande ist, während er treppenförmig nach der Schneide abnimmt, diese kann dann ganz ohne Schmelz sein. Oft werden die Zähne sehr rudimentär entwickelt, oder sie werden bald schwarz und fallen wieder aus.
Wirbelsäule: Wenn diese befallen wird so entwickelt sich eine Kyphose (...) daran schließt sich im oberen Teil der Brustwirbelsäule auch eine Scoliose mit der Convexität nach rechts. 
Rippen: In den leichtesten Fällen findet sich nur eine Knotenbildung an den Rippenknorpeln, diese sind verdickt und hervortretend; (...) rachitischer Rosenkranz genannt. In höheren Graden sind die Rippen nach außen von den Knoten auffallend eingesunken, es bilden sich förmlich ein paar von oben nach unten gerichtete Rinnen an der Thoraxwand, welche besonders gegen die fünfte bis siebente Rippe sehr tief und breit werden, weil sich hier Ihnen eine circuläre Furche hinzufügt, deren Entstehung man auf den Zug des Zwerchfells schiebt(...) Harrison´sche Furche.

(Seite: 193 -198)