BUCH: Lehrbuch für Säuglings - und Kinderkrankenschwestern (1944)

Aus dem Inhalt:

Gesundheitsfürsorge - Säuglingefürsorge:

Vitamin-D-Mangel führt zum Auftreten der englischen Krankheit (RACHITIS).
Die RACHITIS ist eine der wichtigsten Erkrankungen der Säuglingszeit und des 2. Lebensjahres. (...) Das Wesen der RACHITIS besteht in einer Störung des Kalkwechsels. Zu seiner Regulierung ist nämlich die Anwesenheit von Vitamin D erforderlich. In erster Linie leidet die Verkalkung des Knochens. Der in der Nahrung angebotene Kalk kann nicht verwertet werden und wird sogar vermehrt ausgeschieden. Im Stuhl findet man dann kleine weißliche Bröckel (Kalkseifen). Der Stuhl ist verhältnismäßig hell und sehr fest und trocken. Im Blutwasser findet sich normaler, zuweilen leicht erhöhter Kalkgehalt, verminderter Phosphorgehalt. Aus alledem geht hervor, dass es ziemlich sinnlos ist, zur Verhütung der RACHITIS den Kindern Kalkpräparate zu geben. 
Die Zeichen der RACHITIS sind zu den verschiedenen Lebensaltern etwas verschieden. Beim jungen Säugling (2.-3. Lebensvierteljahr) zeigen sich vor allem Kopfschweiße, dazu Erweichung der Schädelknochen (Kraniotabes), hauptsächlich an der Hinterhauptschuppe. Die große Fontanelle bleibt weit offen, ihre Ränder sind auffallend weich. Man findet ferner Auftreibungen der Knochen - Knorpelgrenzen der Rippen, die dann wie kleine Knöpfe zuweilen mit bloßem Auge an der seitlichen Brustwand vorn zu sehen sind. Man spricht vom rachitischen Rosenkranz. Erst später kommt es zu Verdickungen der körperfernen Enden der langen Röhrenknochen, insbesondere oberhalb der Handgelenke (doppelte Gieder). Verbiegungen am Brustkorb treten in Form der Harrisonschen Furche, oder als Hühnerbrust auf. Gegen Ende des 1. Jahres bemerkt man Verzögerungen und Unregelmäßigkeiten beim Zahndurchbruch. Die Zähne selbst erscheinen häuftig geriffelt, zackig und verfärbt. Die Fontanelle ist bei Rachitiker noch weit, auch der Kopf selbst kann durch Auftreibung der Stirnhöcker groß und viereckig erscheinen (Quadratschädel).
(...) bis weit in das 2. und 3. Lebensjahr hinein zu Verbiegungen der Gliederknochen (O-X- Säbelscheidenbeine). Die Entwicklung ist verzögert, die Kinder lernen später sitzen, stehen und laufen. Infolge der meist vorhandenen Schmerzhaftigkeit liegt das rachitische Kind still da. Seine Laune ist schlecht, Muskulatur und Bewegungsfreude sind gering. 
(...) finden wir Blässe, (...) schlechte Laune, starkes Schwitzen, aufgetriebenen Bauch (Froschbauch). Es ist klar, das ein sich so mäßig entwickelndes Kind auch geistig nur langsam Fortschritte macht.
Für die Volksgesundheit ist die RACHITIS deshalb so bedeutungsvoll, weil ihre Zeichen bis ins Erwachsenenalter hinein sich auswirken. Viele schwere Geburten entstehen durch rachitische Abplattung und Verengung des mütterlichen Beckens, manche geburtshilfliche Operation ist dadurch notwendig geworden. 
(...) die Sterblichkeit an Lungenentzündung, Keuchhusten und anderen Krankheiten ist bei Rachitikern groß. Sie bekommen auch leichter Verdauungsstörungen und neigen zu Krämpfen.

(Seite 475 - 476)