BUCH: Ergebnisse der inneren Medizin und Kinderheilkunde (1914)

Autoren:
F. Kraus, O. Minkowski, Fr. Müller,
H.Sahli, A. Czerny, O. Heubner

Aus dem Inhalt:
Schon vor Jahrzehnten war guten Beobachtern mit großer klinischer Erfahrung wie z.B. Trousseau, aufgefallen, dass die charakteristischen Sklelettveränderungen, wie sie der gewöhnlichen RACHITIS des ein - bis dreijährigen Kindes eigen sind, gelegentlich auch bei älteren, der Pubertät nahen Individuen beobachtet werden. Trousseau zog sogar damals schon aus seinen Beobachtungen einen Schluss, der sich erst lange nachher als der richtige herausgestellt hat, dass nämlich die Knochenerweichung des wachsenden Skeletts ( die RACHITIS) mit der Knochenerweichung des nahezu oder ganz ausgewachsenen Skeletts (der Osteomalacie) ihrem Wesen nach identisch sei (...)

(Seite 619 - 620)

Therapie:
Neben Allgemeinmaßnahmen wie Sorge für gute trockene Wohnung, reichlichen Genuss von frischer Luft (BESONNUNG), nahrhafte und reichliche Kost kommt hier vor allem mögliche Entlastung des minderwertigen Skeletts in Frage (Liegekuren, womöglich im Freien, kombiniert mit BESONNUNG, Aufenthalt an der See, auf dem Lande, im Hochgebirge).
(...) Allgemein gerühmt wird der spezifische Effekt einer systematischen Kur mit Phosphorlebertran. Unter dem Einfluss des Phosphorlebertran sahen Schüller und neuerdings namentlich auch Tobler, die zum teil schweren spätrachitischen Erscheinungen bei ihren zahlreichen Patienten anstandslos zurückgehen. Seit den schönen Untersuchungen Birks und Schabads wissen wir, das Lebertran für sich allein, namentlich aber in Kombination mit anorganischem Phosphor die Kalkretension des RACHITIKERS günstig beeinflusst, und das die negative Kalkbilanz bei florider RACHITIS unter fortwährendem Gebrauche von Phosphorlebertran allmählich in eine positive verwandelt wird. Diese günstige Wirkung des Phosphorlebertrans auf den Kalkstoffwechsel des RACHITIKERS ist nach Schabad eine so gesetzmäßige, dass ex juvantibus geradezu auf die Richtigkeit der Diagnose "floride RACHITIS) geschlossen werden darf. 
(...) Tatsächlich gelang Schabad durch die nachträgliche histologische Skelettuntersuchung des inzwischen verstorbenen Patienten der Nachweis, dass die Kalkablagerung durchgehends eine reichliche war, dass von rachitischen Veränderungen in den betreffenden Knochen und am Knorpel nichts nachzuweisen (...) war.

(Seite 658)