BUCH: Sonnenlichtbehandlung in der Chirurgie (1917)

Autor:
Dr. O. Bernhard

Aus dem Inhalt:

Lichtwirkung auf Bakterien und tierische Zellen
Von größter Wichtigkeit ist die Eigenschaft des Sonnenlichtes, Mikroorganismen und deren Keime abtöten zu vermögen, seine bakterizide Kraft. 
Die ersten fundamentalen Versuche (...) in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts Downes und Blunt angestellt. Sie wiesen nach, dass Kulturen von Mikroben, welche längere Zeit dem Sonnenlicht ausgesetzt waren, steril blieben, während im Dunkel gehaltene Kulturen gediehen und sich fortpflanzten. Arloing und Duclaux führten diese Versuche weiter aus. Jener zeigte, dass Kulturen des Milzbrandbazillus in Hühnerfleischbouillon sterilisiert waren, wenn er sie 2 Stunden dem Sonnenlicht aussetzte. Sporenhaltige Kulturen wurden schwieriger sterilisiert, es bedurfte dazu einer Einwirkung von 25-30 Stunden. Aber alsdann waren auch sie völlig entwicklungsunfähig und nicht mehr virulent. 
(...) Robert Koch u.a. haben darauf hingewiesen, dass das direkte Sonnenlicht imstande ist, die Tuberkelbazillen innerhalb kurzer Zeit abzutöten. Jesionek entnahm einer hochvirulenten Tuberkelbazillenreinkultur Material, dass er auf seinem Arm verstrich und den Arm an einem sonnenglänzenden Maitag in Gießen im Laufe der Mittagsstunden den direkten Strahlen der Sonne aussetzte. Nach 1 1/2 Stunden waren die Tuberkelbazillen abgetötet. Impfungen verliefen absolut resultatlos.
Migneco setzte den Auswurf von tuberkulösen Patienten auf Leinen und Wollstoff eingetrocknet dem Sonnenlicht aus, und die Bazillen, trotzdem sie vom Schleim umgeben waren und dadurch einen gewissen Schutz gegen die Lichteinwirkung besaßen, konnten nur 24 bis 30 Stunden dem Sonnenlicht wiederstehen. 
V. Esmarch wies nach, dass Diphtherie; Milzbrand, Thypus - und Cholerabakterien auf trockenem Erdboden und an der Oberfläche von Wäsche und Kleidern durch auffallendes Tageslicht schnell abgetötet, die gewöhnlichen Fäulniserreger stark abgeschwächt werden. Damit bewies er auch, wie richtig das Volk vorgeht, indem es Wäsche und Kleider nach deren Reinigung und speziell nach der Wäsche noch an die Sonne aushängt.
(...) Uffelmann, Buchner und Tavel stellten den erheblichen Anteil des Lichtes an der Desinfektion des Straßenstaubes und an der Selbstreinigung der Flüsse und stehenden Gewässern von pathogenen Keimen fest. 
(...) Die ersten Studien über den Einfluss des Lichtes auf den tierischen Stoffwechsel verdanken wir Molleschott, welcher durch Experimente an Fröschen zeigte, dass das Licht von der Haut oder der Retina einwirkend, die Kohlensäureausscheidung dem Dunkeln gegenüber vermehrt, und das auch vom Körper völlig getrennte Gewebsteile, wie Nerven und Muskeln, im Lichte mehr Kohlensäure abgeben, als im Dunklen. Ebenso ist die Sauerstoffaufnahme im Lichte stärker als im Dunkeln. (...) das der gesamte Stoff-und Gaswechsel durch das Licht beeinflusst wird. 
(...) Weitere Untersuchungen ergaben, dass nicht nur die Eiterzellen, sondern alle möglichen Organzellen, wie Leber, Niere, Milz, Thymus usw. die Fähigkeit besitzen unter dem Einfluss des Lichtes gieriger Sauerstoff aufzunehmen, als im Dunkeln.
Der Blutdruck wird, wie durch Messungen vor und nach der bestrahlung nachgewiesen werden kann, durch Sonnenbäder herabgesetzt. Die Abnahme des Blutdrucks können wir mit einer Erweiterung der peripheren Blutbahnen durch den direktetn Einfluss der Strahlung auf die Vasomotoren erklären.
Hasselbach beobachtete nach mehrmaliger Bestrahlung mit ultraviolettem Licht eine 6-9 Monate lang dauernde Blutüberfüllung der Haut. Durch die erhöhte Hauttemperatur und den größeren Blutreichtum sollen nach ihm, die Menschen widerstandsfähiger gegen Kälte und Zugluft werden.
(...) Lenkei konnte die wichtige Tatsache feststellen, dass die Zahl der roten und weißen Blutkörperchen nach intensiver Sonnenbestrahlung in allen untersuchten Gefäßpartien erheblich ansteigt. 

(Seite 21, 22, 27, 28)