BUCH: Aetiologie, Prophylaxis und Therapie der RHACHITIS (1900)

Autor:

Dr. Paul Zweifel

  • Ord. Professor der Geburtshilfe und Gynäkologie an der Universität in Leipzig

Aus dem Inhalt:

Die englische Krankheit fängt ausnahmslos in der ersten Kindheit an, also demjenigen Lebensabschnitt, den man von der Geburt bis zum Abschluss des zweiten Jahres rechnet. (...) Sicher ist das zeitliche Zusammenfallen der ersten Erscheinungen der echten RACHITIS mit dem raschen Wachstum der Knochen kein zufälliges  und hat das Auftreten der englischen Krankheit in der Zeit des ersten Zahndurchbruches (...) die beiden Vorgänge miteinander in Verbindung zu bringen. ("durch die Glieder zahnen")
Viel bedeutungsvoller ist es, dass in dem gleichen Lebensabschnitt, der Aufbau der Skelettknochen eine höchst wichtige Umwandlung erfährt, durch welche aus dem embryonalen Bau, aus der geflechtartigen eine lamelläre oder paralell faserige Anordnung der Zellen entsteht. Es muss bei dieser Umwandlung schrittweise eine Aufsaugung der in den Knochenzellen niedergelegten Knochensalze stattfinden, welche in die anders sich ordnenden neuen Zellen wieder abgelagert werden.
Die RACHITIS bedingt ebenso auffällige Veränderungen an der Knochenhaut wie an den Gelenkenden und zwar fällt als erstes auf die Dicke des Periosts, welches sich nie anders von dem Knochen abziehen lässt, als mit gleichzeitiger Abreißung großer Stücke lockeren porösen Knochengewebes. Gerade am Periost ist das Wesen der Krankheit am auffälligsten: Erst unter mehreren Schichten eines schwächlich entwickelten porösen Knochengewebes. Das Periost wie alle jüngeren Schichten sind sehr blutreich und sehen auffallend rot aus. 
Ähnlich wie am Periost der Röhrenknochen verläuft die RACHITIS an den platten Knochen des Schädels, die in ihrer ganzen Dicke porös und mit Auflagerungen bedeckt sind, die aus schwammigen Gewebe bestehen.
(...) Eines der bekanntesten Veränderungen der RACHITIS sind die Verkrümmungen der Glieder, insbesondere der Beine (...) nämlich, dass bei den stark gewucherten, aber zu weichen Knorpeln durch die Einwirkung eines anhaltenden Drucks auf einer Seite allmähliche Verkrümmungen der wachsenden Knochen zu Stande kommen.
(...) Beispiel Oberschenkelknochen - das Femur - so wirkt die Last des Rumpfes bei Geh-und Stehversuchen gewiss sehr oft nicht genau gleichmäßig auf beide Condylen des Knies ein, sondern recht häufig bei den instintiv vom Kind gespreizten Beinchen stärker auf die Innenseite, wodurch der innere Condylus mehr, der äußere weniger zusammengedrückt und bei der nachfolgenden Verknöcherung die Innenseite kürzer, die Außenseite länger, also der Knochen nach außen convex gebogen wird. 

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